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D I E B I B E L

Einheitsübersetzung

Herausgegeben von Univ. Prof. Dr. Günter Stemberger und Sr. Dr. Mirjam Prager OSB

Das Buch Kohelet

E-1 Das Buch Kohelet wurde um die Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. geschrieben. Der Verfasser, der sich selbst Kohelet nennt, ist uns nicht bekannt. Palästina gehörte damals zum Ptolemäerreich. Es war die Zeit noch vor den hellenistischen Religionsverfolgungen und vor der nationalen Erhebung der Makkabäer. Die gebildete Oberschicht von Judäa war wohlhabend und weltoffen. Man versuchte, die Traditionen Israels mit der die Welt beherrschenden griechischen Bildung und Lebensform zu einer neuen Einheit zu verschmelzen.

E-2 Das Buch Kohelet ist das eindrucksvollste Zeugnis dieses Bemühens. Die Bildungstraditionen Israels, ja des ganzen Orients, besonders auch Ägyptens, sind Kohelet bekannt (zur »Weisheit« vgl. die Einleitung zu Spr). Sein Denken und Fühlen ist von den Schriftstellern, die man in den griechischen Schulen liest, und von der sogenannten Popularphilosophie bestimmt. Seine Sprache ist ein ganz neuartiges Hebräisch, in dem einerseits die aramäische Alltagssprache, andererseits manches griechische Wort- und Satzmuster durchschlägt. Das Buch lehnt sich nur noch teilweise an die poetische Gestalt der alten Lehrschriften an. Es enthält auch schon viele Merkmale der damals aufkommenden Predigt von Wanderphilosophen (»Diatribe«).

E-3 Das Buch entwirft zunächst eine Lehre vom Kosmos (1,4-11). Der herrliche, ewig kreisende Kosmos ist die Bühne, auf der die vergänglichen Menschen kommen und gehen. Sprache, Sinne und Gedächtnis der Menschen können die Fülle der Welt nicht erfassen. Es folgt als grundlegender Teil des Buches die Lehre vom Menschen (1,12 - 3,15). Kohelet versetzt sich in die höchste menschliche Möglichkeit: Er sieht sich als gebildeten, weltgestaltenden und das Leben voll auskostenden Herrscher und fragt dann nach dem Sinn. Angesichts des sicher kommenden Todes erweist sich selbst dann alles als »Windhauch«. Jeder Augenblick ist von Gott her bestimmt; der Mensch kann ihn weder berechnen noch in den Griff bekommen. Er kann nur in Furcht das, was ihm jeweils gegeben wird, annehmen. Dieses Daseinsverständnis bestätigt sich dann in einem anschließenden Teil, der die Übel der Welt anhand ausgewählter Beispiele aus dem öffentlichen, wirtschaftlichen und familiären Leben kritisiert (3,16 - 6,10). Im nächsten Teil werden Beispiele traditioneller Spruchweisheit und die weisheitliche Theorie über den Zusammenhang von Tun und Ergehen kritisch überprüft (6,11 - 9,6). Am Ende steht wieder das Thema Tod. Daran schließt sich die Ethik an, die Weisung für die rechte Lebensführung (9,7 - 12,7). Sie ist sehr vielfältig, doch ist sie geleitet von der Mahnung, in Gottesfurcht die Gabe des jeweiligen Augenblicks zu ergreifen: jede Freude zu genießen und überall da, wo es sich anbietet, tatkräftig zu handeln. Denn jedes »Jetzt« ist die dem Menschen gegebene Zeit. Er soll nie vergessen, daß er auf Alter und Tod zugeht. Aus dieser Ethik sind die Anweisungen über das religiöse Verhalten herausgenommen und schon vorher als eine Art Zwischenstück in die Gesellschaftskritik eingesetzt (4,17 - 5,6). So bilden sie im Gesamtaufbau des Buches eine Art Mitte.

E-4 Im modernen Denken wird man mit dem Buch Kohelet vor allem die Existenzphilosophie vergleichen können. Doch ist im Buch Kohelet bei aller Neigung zur Erfahrungsweisheit und zur kritischen Auseinandersetzung mit gängigen Meinungen zugleich eine sehr radikale Theorie von der Bindung der Welt an Gott vorausgesetzt. Nach ihr kann nichts, auch nicht das Böseste und Schlimmste, von der Allursächlichkeit Gottes ausgenommen werden. Und von Gott her ist letztlich alles »schön«. Dies sollte man nicht übersehen, wenn man beim Lesen des Buches von Melancholie überwältigt wird und Kohelet gerade deshalb als modern empfinden möchte. Wer Kohelet als Teil des ganzen Kanons der heiligen Schriften liest, wird das Buch, ohne dabei die Härte seines Fragens und Denkens preiszugeben, mit der Botschaft vom Handeln Gottes in der Geschichte verbinden.

Das Buch Kohelet

1:1 Buchtitel: 1,1

Worte Kohelets, des Davidsohnes, der König in Jerusalem war.

1:2 Vorspruch: 1,2-3

Windhauch, Windhauch, sagte Kohelet, Windhauch, Windhauch, das ist alles Windhauch.

1:3 Welchen Vorteil hat der Mensch von all seinem Besitz, für den er sich anstrengt unter der Sonne?

1:4 Wechsel, Dauer und Vergessen: 1,4-11

Eine Generation geht, eine andere kommt. Die Erde steht in Ewigkeit.

1:5 Die Sonne, die aufging und wieder unterging, atemlos jagt sie zurück an den Ort, wo sie wieder aufgeht.

1:6 Er weht nach Süden, dreht nach Norden, dreht, dreht, weht, der Wind. Weil er sich immerzu dreht, kehrt er zurück, der Wind.

1:7 Alle Flüsse fließen ins Meer, das Meer wird nicht voll. Zu dem Ort, wo die Flüsse entspringen, kehren sie zurück, um wieder zu entspringen.

1:8 Alle Dinge sind rastlos tätig, kein Mensch kann alles ausdrücken, nie wird ein Auge satt, wenn es beobachtet, nie wird ein Ohr vom Hören voll.

1:9 Was geschehen ist, wird wieder geschehen, was man getan hat, wird man wieder tun: Es gibt nichts Neues unter der Sonne.

1:10 Zwar gibt es bisweilen ein Ding, von dem es heißt: Sieh dir das an, das ist etwas Neues - aber auch das gab es schon in den Zeiten, die vor uns gewesen sind.

1:11 Nur gibt es keine Erinnerung an die Früheren, und auch an die Späteren, die erst kommen werden, auch an sie wird es keine Erinnerung geben bei denen, die noch später kommen werden.

1:12 Die Bedingtheit des Menschen - die Undurchschaubarkeit Gottes: 1,12 - 3,15 Drei Überblicke: 1,12 - 2,2

Ich, Kohelet, war in Jerusalem König über Israel.

1:13 Ich hatte mir vorgenommen, das Wissen daraufhin zu untersuchen und zu erforschen, ob nicht alles, was unter dem Himmel getan wurde, ein schlechtes Geschäft war, für das die einzelnen Menschen durch Gottes Auftrag sich abgemüht haben.

1:14 Ich beobachtete alle Taten, die unter der Sonne getan wurden. Das Ergebnis: Das ist alles Windhauch und Luftgespinst.

1:15 Was krumm ist, kann man nicht gerade biegen; was nicht da ist, kann man nicht zählen.

1:16 Ich überlegte mir folgendes: Ich habe mein Wissen immerzu vergrößert, so daß ich jetzt darin jeden übertreffe, der vor mir über Jerusalem geherrscht hat. Oft konnte ich Wissen und Können beobachten.

1:17 So habe ich mir vorgenommen zu erkennen, was Wissen wirklich ist, und zu erkennnen, was Verblendung und Unwissen wirklich sind. Ich erkannte, daß auch dies ein Luftgespinst ist.

1:18 Denn: Viel Wissen, viel Ärger, wer das Können mehrt, der mehrt die Sorge.

2:1 Ich dachte mir: Auf, versuch es mit der Freude, genieß das Glück! Das Ergebnis: Auch das ist Windhauch.

2:2 Über das Lachen sagte ich: Wie verblendet!, über die Freude: Was bringt sie schon ein?

2:3 Menschliches Glück durch Weltgestaltung: 2,3-11

Ich trieb meine Forschung an mir selbst, indem ich meinen Leib mit Wein lockte, während mein Verstand das Wissen auf die Weide führte, und indem ich das Unwissen gefangennahm. Ich wollte dabei beobachten, wo es vielleicht für die einzelnen Menschen möglich ist, sich unter dem Himmel Glück zu verschaffen während der wenigen Tage ihres Lebens.

2:4 Ich vollbrachte meine großen Taten: Ich baute mir Häuser, ich pflanzte Weinberge.

2:5 Ich legte mir Gärten und Parks an, darin pflanzte ich alle Arten von Bäumen.

2:6 Ich legte Wasserbecken an, um aus ihnen den sprossenden Baumbestand zu bewässern.

2:7 Ich kaufte Sklaven und Sklavinnen, obwohl ich schon hausgeborene Sklaven besaß. Auch Vieh besaß ich in großer Zahl, Rinder, Schafe, Ziegen, mehr als alle meine Vorgänger in Jerusalem.

2:8 Ich hortete auch Silber und Gold und, als meinen persönlichen Schatz, Könige und ihre Provinzen. Ich besorgte mir Sänger und Sängerinnen und die Lust jedes Menschen: einen großen Harem.

2:9 Ich war schon groß gewesen, doch ich gewann noch mehr hinzu, so daß ich alle meine Vorgänger in Jerusalem übertraf. Und noch mehr: Mein Wissen stand mir zur Verfügung,

2:10 und was immer meine Augen sich wünschten, verwehrte ich ihnen nicht. Ich mußte meinem Herzen keine einzige Freude versagen. Denn mein Herz konnte immer durch meinen ganzen Besitz Freude gewinnen. Und das war mein Anteil, den ich durch meinen ganzen Besitz gewinnen konnte.

2:11 Doch dann dachte ich nach über alle meine Taten, die, die meine Hände vollbracht hatten, und über den Besitz, für den ich mich bei diesem Tun angestrengt hatte. Das Ergebnis: Das ist alles Windhauch und Luftgespinst. Es gibt keinen Vorteil unter der Sonne.

2:12 Bildung und Besitz in ihrer Bedingtheit: 2,12-23

Ich dachte nach, indem ich beobachtete, was Wissen wirklich ist und was Verblendung und Unwissen wirklich sind. Außerdem: Was für ein Mann wird auf den König folgen, den sie einst eingesetzt haben?

2:13 Ich beobachtete: Es gibt einen Vorteil, den das Wissen bietet, aber nicht das Unwissen, wie es einen Vorteil gibt, den das Licht bietet, aber nicht die Dunkelheit:

2:14 Der Gebildete hat Augen im Kopf, der Ungebildete tappt im Dunkeln. Aber ich erkannte auch: Beide trifft ein und dasselbe Geschick.

2:15 Da dachte ich mir: Was den Ungebildeten trifft, trifft also auch mich. Warum bin ich dann über die Maßen gebildet? Und ich überlegte mir, daß auch das Windhauch ist.

2:16 Denn an den Gebildeten gibt es ebensowenig wie an den Ungebildeten eine Erinnerung, die ewig währt, weil man schon in den Tagen, die bald kommen, beide vergessen wird. Wie ist es möglich, daß der Gebildete ebenso sterben muß wie der Ungebildete?

2:17 Da verdroß mich das Leben. Denn das Tun, das unter der Sonne getan wurde, lastete auf mir als etwas Schlimmes. Denn es ist alles Windhauch und Luftgespinst.

2:18 Mich verdroß auch mein ganzer Besitz, für den ich mich unter der Sonne anstrenge und den ich dem Menschen lassen muß, der nach mir kommt.

2:19 Wer weiß, ob er ein Wissender ist oder ein Unwissender? Jedenfalls wird er über meinen ganzen Besitz verfügen, für den ich mich unter der Sonne angestrengt und mein Wissen eingesetzt habe. Auch das ist Windhauch.

2:20 Ich stellte mich um und überließ mich der Verzweiflung über meinen ganzen Besitz, für den ich mich unter der Sonne angestrengt hatte.

2:21 Denn es kommt vor, daß ein Mensch, dessen Besitz durch Wissen, Können und Erfolg erworben wurde, ihn einem andern, der sich nicht dafür angestrengt hat, als dessen Anteil überlassen muß. Auch das ist Windhauch und etwas Schlimmes, das häufig vorkommt.

2:22 Was erhält der Mensch dann durch seinen ganzen Besitz und durch das Gespinst seines Geistes, für die er sich unter der Sonne anstrengt?

2:23 Alle Tage besteht sein Geschäft nur aus Sorge und Ärger, und selbst in der Nacht kommt sein Geist nicht zur Ruhe. Auch das ist Windhauch.

2:24 Gottes Handeln in seiner Vollkommenheit und Undurchschaubarkeit: 2,24 - 3,15

Nicht im Menschen selbst gründet das Glück, daß er essen und trinken und durch seinen Besitz das Glück selbst kennenlernen kann. Ich habe vielmehr beobachtet, daß dies von Gottes Verfügung abhängt.

2:25 Denn wer hat zu essen, wer weiß zu genießen, wenn nicht ich?

2:26 Aber es gibt Menschen, denen Gott wohlwill. Es sind die, denen er Wissen, Können und Freude geschenkt hat. Und es gibt Menschen, deren Leben verfehlt ist. Es sind diejenigen, die er mit dem Geschäft beauftragt hat, zu sammeln und zu horten und dann alles denen zu geben, denen er wohlwill. Auch das ist Windhauch und Luftgespinst.

3:1 Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit:

3:2 eine Zeit zum Gebären und eine Zeit zum Sterben, eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit zum Abernten der Pflanzen,

3:3 eine Zeit zum Töten und eine Zeit zum Heilen, eine Zeit zum Niederreißen und eine Zeit zum Bauen,

3:4 eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen, eine Zeit für die Klage und eine Zeit für den Tanz;

3:5 eine Zeit zum Steinewerfen und eine Zeit zum Steinesammeln, eine Zeit zum Umarmen und eine Zeit, die Umarmung zu lösen,

3:6 eine Zeit zum Suchen und eine Zeit zum Verlieren, eine Zeit zum Behalten und eine Zeit zum Wegwerfen,

3:7 eine Zeit zum Zerreißen und eine Zeit zum Zusammennähen, eine Zeit zum Schweigen und eine Zeit zum Reden,

3:8 eine Zeit zum Lieben und eine Zeit zum Hassen, eine Zeit für den Krieg und eine Zeit für den Frieden.

3:9 Wenn jemand etwas tut - welchen Vorteil hat er davon, daß er sich anstrengt?

3:10 Ich sah mir das Geschäft an, für das jeder Mensch durch Gottes Auftrag sich abmüht.

3:11 Gott hat das alles zu seiner Zeit auf vollkommene Weise getan. Überdies hat er die Ewigkeit in alles hineingelegt, doch ohne daß der Mensch das Tun, das Gott getan hat, von seinem Anfang bis zu seinem Ende wiederfinden könnte.

3:12 Ich hatte erkannt: Es gibt kein in allem Tun gründendes Glück, es sei denn, ein jeder freut sich, und so verschafft er sich Glück, während er noch lebt,

3:13 wobei zugleich immer, wenn ein Mensch ißt und trinkt und durch seinen ganzen Besitz das Glück kennenlernt, das ein Geschenk Gottes ist.

3:14 Jetzt erkannte ich: Alles, was Gott tut, geschieht in Ewigkeit. Man kann nichts hinzufügen und nichts abschneiden, und Gott hat bewirkt, daß die Menschen ihn fürchten.

3:15 Was auch immer geschehen ist, war schon vorher da, und was geschehen soll, ist schon geschehen, und Gott wird das Verjagte wieder suchen.

3:16 Die Übel der Welt: 3,16 - 4,16 Unrecht bei Gericht: 3,16-22

Noch etwas habe ich beobachtet unter der Sonne: An der Stätte, wo man Urteil spricht, geschieht Unrecht; an der Stätte, wo man gerechtes Urteil sprechen sollte, geschieht Unrecht.

3:17 Da dachte ich mir: Gott ist es, der den Unschuldigen wie den Schuldigen verurteilt. Denn eine bestimmte Zeit für jedes Geschehen und für jedes Tun gibt es (auch) dort.

3:18 Was die einzelnen Menschen angeht, dachte ich mir, daß Gott sie herausgegriffen hat und daß sie selbst (daraus) erkennen müssen, daß sie eigentlich Tiere sind.

3:19 Denn jeder Mensch unterliegt dem Geschick, und auch die Tiere unterliegen dem Geschick. Sie haben ein und dasselbe Geschick. Wie diese sterben, so sterben jene. Beide haben ein und denselben Atem. Einen Vorteil des Menschen gegenüber dem Tier gibt es da nicht. Beide sind Windhauch.

3:20 Beide gehen an ein und denselben Ort. Beide sind aus Staub entstanden, beide kehren zum Staub zurück.

3:21 Wer weiß, ob der Atem der einzelnen Menschen wirklich nach oben steigt, während der Atem der Tiere ins Erdreich hinabsinkt?

3:22 So habe ich eingesehen: Es gibt kein Glück, es sei denn, der Mensch kann durch sein Tun Freude gewinnen. Das ist sein Anteil. Wer könnte es ihm ermöglichen, etwas zu genießen, das erst nach ihm sein wird?

4:1 Ausbeutung und Konkurrenzkampf: 4,1-6

Dann wieder habe ich alles beobachtet, was unter der Sonne getan wird, um Menschen auszubeuten. Sieh, die Ausgebeuteten weinen, und niemand tröstet sie; von der Hand ihrer Ausbeuter geht Gewalt aus, und niemand tröstet sie.

4:2 Da preise ich immer wieder die Toten, die schon gestorben sind, und nicht die Lebenden, die noch leben müssen.

4:3 Glücklicher aber als beide preise ich den, der noch nicht geworden ist, der noch nicht das schlimme Tun gesehen hat, das unter der Sonne getan wird.

4:4 Denn ich beobachtete: Jede Arbeit und jedes erfolgreiche Tun bedeutet Konkurrenzkampf zwischen den Menschen. Auch das ist Windhauch und Luftgespinst.

4:5 Der Ungebildete legt die Hände in den Schoß und hat doch sein Fleisch zum Essen.

4:6 Besser eine Handvoll und Ruhe, als beide Hände voll und Arbeit und Luftgespinst.

4:7 Der alleinstehende Mensch: 4,7-12

Und wieder habe ich etwas unter der Sonne beobachtet, das Windhauch ist.

4:8 Es kommt vor, daß jemand allein steht und niemanden bei sich hat. Ja, er besitzt nicht einmal einen Sohn oder Bruder. Aber sein Besitz ist ohne Grenzen, und überdies kann sein Auge vom Reichtum nicht genug bekommen. Doch für wen strenge ich mich dann an, und warum gönne ich mir kein Glück? Auch das ist Windhauch und ein schlechtes Geschäft.

4:9 Zwei sind besser als einer allein, falls sie nur reichen Ertrag aus ihrem Besitz ziehen.

4:10 Denn wenn sie hinfallen, richtet einer den anderen auf. Doch wehe dem, der allein ist, wenn er hinfällt, ohne daß einer bei ihm ist, der ihn aufrichtet.

4:11 Außerdem: Wenn zwei zusammen schlafen, wärmt einer den andern; einer allein - wie soll er warm werden?

4:12 Und wenn jemand einen einzelnen auch überwältigt, zwei sind ihm gewachsen, und eine dreifache Schnur reißt nicht so schnell.

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5:9 Die Nutzlosigkeit des Reichtums: 5,9-11

Wer das Geld liebt, bekommt vom Geld nie genug; wer den Luxus liebt, hat nie genug Einnahmen - auch das ist Windhauch.

5:10 Mehrt sich das Vermögen, so mehren sich auch die, die es verzehren. Was für ein Erfolg bleibt dem Besitzer? Seine Augen dürfen zusehen.

5:11 Süß ist der Schlaf des Arbeiters, ob er wenig oder viel zu essen hat. Dem Reichen raubt sein voller Bauch die Ruhe des Schlafs.

5:12 Verlust des Reichtums: 5,12-16

Es gibt etwas Schlimmes, etwas wie eine Krankheit, das ich unter der Sonne beobachtet habe: wenn Reichtum, der für seinen Besitzer ängstlich gehütet wurde, diesem Schlimmes brachte.

5:13 Durch ein schlechtes Geschäft ging ihm dieser Reichtum verloren. Er hatte einen Sohn gezeugt, aber jetzt hat er nichts mehr, das ihm gehört.

5:14 Wie er aus dem Leib seiner Mutter herausgekommen ist - nackt, wie er kam, muß er wieder gehen. Von seinem Besitz darf er überhaupt nichts forttragen, nichts, das er als ihm gehörig mitnehmen könnte.

5:15 So ist auch dies etwas Schlimmes, etwas wie eine Krankheit. Genau wie er kam, muß er gehen. Welchen Vorteil bringt es ihm, daß er sich anstrengt für den Wind?

5:16 Auch wird er während seines ganzen restlichen Lebens sein Essen im Dunkeln einnehmen; er wird sich häufig ärgern, und Krankheit und Unmut werden ihn plagen.

5:17 Unverwerteter Reichtum: 5,17 - 6,2

Dies ist etwas, was ich eingesehen habe: Das vollkommene Glück besteht darin, daß jemand ißt und trinkt und das Glück kennenlernt durch seinen eigenen Besitz, für den er sich unter der Sonne anstrengt während der wenigen Tage seines Lebens, die Gott ihm geschenkt hat. Denn das ist sein Anteil.

5:18 Außerdem: Immer wenn Gott einem Menschen Reichtum und Wohlstand geschenkt und ihn ermächtigt hat, davon zu essen und seinen Anteil fortzutragen und durch seinen Besitz Freude zu gewinnen, besteht das eigentliche Geschenk Gottes darin,

5:19 daß dieser Mensch sich nicht so oft daran erinnern muß, wie wenige Tage sein Leben zählt, weil Gott ihn sich um die Freude seines Herzens bemühen läßt.

6:1 Doch es gibt etwas Schlimmes, das ich unter der Sonne beobachtet habe; es lastet häufig auf dem Menschen:

6:2 Gott schenkt einem Menschen so viel Reichtum, Wohlstand und Geltung, daß ihm nichts fehlt von allem, was er sich wünschen könnte; aber Gott ermächtigt ihn nicht, davon zu essen, sondern ein Fremder ißt es auf. Das ist Windhauch und eine schlimme Krankheit.

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7:5 Zum Thema: Bildung: 7,5-7

Besser, die Mahnrede eines Gebildeten anhören, als dem Gesang der Ungebildeten lauschen;

7:6 denn wie das Prasseln der Dornen unter dem Kessel, so ist das Lachen des Ungebildeten. - Aber auch das ist Windhauch, denn:

7:7 Erpressung verblendet den Gebildeten, und Bestechung verdirbt den Verstand.

7:8 Zum Thema: Zurückhaltung und Hängen am Hergebrachten: 7,8-10

Besser der Ausgang einer Sache als ihr Anfang, besser der Vorsichtige als der Stürmische.

7:9 Laß dich nicht aufregen, so daß du dich ärgerst, denn Ärger steckt in den Ungebildeten. -

7:10 Doch frag nicht: Wie kommt es, daß die früheren Zeiten besser waren als unsere? Denn deine Frage zeugt nicht von Wissen.

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7:11 Zum Thema: Wissen als Mittel zu langem Leben: 7,11-18

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7:16 Halte dich nicht zu streng an das Gesetz, und sei nicht maßlos im Erwerb von Wissen! Warum solltest du dich selbst ruinieren?

7:17 Entfern dich nicht zu weit vom Gesetz, und verharre nicht im Unwissen: Warum solltest du vor der Zeit sterben?

7:18 Es ist am besten, wenn du an dem einen festhältst, aber auch das andere nicht losläßt. Wer Gott fürchtet, wird sich in jedem Fall richtig verhalten.

7:19 Zum Thema: Wissen als Schutz: 7,19-22

Das Wissen ist für den Gebildeten ein stärkerer Schutz als zehn Machthaber zusammen, die in der Stadt geherrscht haben. -

7:20 Doch gibt es auf der Erde keinen einzigen Menschen, der so gesetzestreu wäre, daß er stets richtig handelt, ohne je einen Fehler zu begehen.

7:21 Hör auch nicht auf all die Worte, die man so sagt. Denn niemals wirst du einen Untergebenen über dich schimpfen hören,

7:22 und doch bist du dir bewußt, daß auch du sehr oft über andere geschimpft hast.

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Freilich kenne ich das Wort: Denen, die Gott fürchten, wird es gut gehen, weil sie sich vor ihm fürchten; dem, der das Gesetz übertritt, wird es nicht gut gehen, und er wird kein langes Leben haben, gleich dem Schatten, weil er sich nicht vor Gott fürchtet. -

8:14 Doch es gibt etwas, das auf der Erde getan wurde und Windhauch ist: Es gibt gesetzestreue Menschen, denen es so ergeht, als hätten sie wie Gesetzesbrecher gehandelt; und es gibt Gesetzesbrecher, denen es so ergeht, als hätten sie wie Gesetzestreue gehandelt. Ich schloß daraus, daß auch dies Windhauch ist.

8:15 Da pries ich die Freude; denn es gibt für den Menschen kein Glück unter der Sonne, es sei denn, er ißt und trinkt und freut sich. Das soll ihn begleiten bei seiner Arbeit während der Lebenstage, die Gott ihm unter der Sonne geschenkt hat.

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9:7 Ratschläge Kohelets: 9,7 - 12,8 Freude und kraftvolles Handeln: 9,7-10

Also: Iß freudig dein Brot, und trink vergnügt deinen Wein; denn das, was du tust, hat Gott längst so festgelegt, wie es ihm gefiel.

9:8 Trag jederzeit frische Kleider, und nie fehle duftendes Öl auf deinem Haupt.

9:9 Mit einer Frau, die du liebst, genieß das Leben alle Tage deines Lebens voll Windhauch, die er dir unter der Sonne geschenkt hat, alle deine Tage voll Windhauch. Denn das ist dein Anteil am Leben und an dem Besitz, für den du dich unter der Sonne anstrengst.

9:10 Alles, was deine Hand, solange du Kraft hast, zu tun vorfindet, das tu! Denn es gibt weder Tun noch Rechnen noch Können noch Wissen in der Unterwelt, zu der du unterwegs bist.

9:11 Zufall und Zeit: 9,11-12

Wiederum habe ich unter der Sonne beobachtet: Nicht den Schnellen gehört im Wettlauf der Sieg, nicht den Tapferen der Sieg im Kampf, auch nicht den Gebildeten die Nahrung, auch nicht den Klugen der Reichtum, auch nicht den Könnern der Beifall, sondern jeden treffen Zufall und Zeit.

9:12 Außerdem: Der Mensch kennt seine Zeit nicht. Wie Fische, die ins Unglücksnetz geraten sind, wie Vögel, die ins Klappnetz geraten sind, ebenso verfangen sich die einzelnen Menschen in ihre Unglückszeit, wenn sie plötzlich über sie herabfällt.

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10:8 Lauernde Gefahren: 10,8-9

Wer eine Grube gräbt, kann hineinfallen, wer eine Mauer einreißt, den kann die Schlange beißen,

10:9 wer Steine bricht, kann sich dabei verletzen, wer Holz spaltet, bringt sich dadurch in Gefahr.

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10:10 Anwendung des Wissens: 10,10-11

Wenn die Axt stumpf geworden ist und ihr Benutzer hat sie nicht vorher geschliffen, dann braucht er mehr Kraft - Wissen hätte ihm den Vorteil gebracht, daß er sein Werkzeug vorbereitet hätte.

10:11 Der Schlangenbeschwörer hat keinen Vorteil, wenn die Schlange beißt, bevor er sie beschworen hat.

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11:4 Tatkräftiges Handeln: 11,4-8

Wer ständig nach dem Wind schaut, kommt nicht zum Säen, wer ständig die Wolken beobachtet, kommt nicht zum Ernten.

11:5 Wie du den Weg des Windes ebensowenig wie das Werden des Kindes im Leib der Schwangeren erkennen kannst, so kannst du auch das Tun Gottes nicht erkennen, der alles tut.

11:6 Am Morgen beginne zu säen, auch gegen Abend laß deine Hand noch nicht ruhen; denn du kannst nicht im voraus erkennen, was Erfolg haben wird, das eine oder das andere, oder ob sogar beide zugleich zu guten Ergebnissen führen.

11:7 Dann wird das Licht süß sein, und den Augen wird es wohltun, die Sonne zu sehen.

11:8 Denn selbst wenn ein Mensch viele Jahre zu leben hat, freue er sich in dieser ganzen Zeit, und er denke zugleich an die dunklen Tage: Auch sie werden viele sein. Alles, was kommt, ist Windhauch.

11:9 Freude in der Jugend im Blick auf Alter und Tod: 11,9 - 12,7

Freu dich, junger Mann, in deiner Jugend, sei heiteren Herzens in deinen frühen Jahren! Geh auf den Wegen, die dein Herz dir sagt, zu dem, was deine Augen vor sich sehen. [ Aber sei dir bewußt, daß Gott dich für all das vor Gericht ziehen wird.]

11:10 Halte deinen Sinn von Ärger frei, und schütz deinen Leib vor Krankheit; denn die Jugend und das dunkle Haar sind Windhauch.

12:1 Denk an deinen Schöpfer in deinen frühen Jahren, ehe die Tage der Krankheit kommen und die Jahre dich erreichen, von denen du sagen wirst: Ich mag sie nicht!,

12:2 ehe Sonne und Licht und Mond und Sterne erlöschen und auch nach dem Regen wieder Wolken aufziehen:

12:3 am Tag, da die Wächter des Hauses zittern, die starken Männer sich krümmen, die Müllerinnen ihre Arbeit einstellen, weil sie zu wenige sind, es dunkel wird bei den Frauen, die aus den Fenstern blicken,

12:4 und das Tor zur Straße verschlossen wird; wenn das Geräusch der Mühle verstummt, steht man auf beim Zwitschern der Vögel, doch die Töne des Lieds verklingen;

12:5 selbst vor der Anhöhe fürchtet man sich und vor den Schrecken am Weg; der Mandelbaum blüht, die Heuschrecke schleppt sich dahin, die Frucht der Kaper platzt, doch ein Mensch geht zu seinem ewigen Haus, und die Klagenden ziehen durch die Straßen -

12:6 ja, ehe die silberne Schnur zerreißt, die goldene Schale bricht, der Krug an der Quelle zerschmettert wird, das Rad zerbrochen in die Grube fällt,

12:7 der Staub auf die Erde zurückfällt als das, was er war, und der Atem zu Gott zurückkehrt, der ihn gegeben hat.

12:8 Rahmenvers: 12,8

Windhauch, Windhauch, sagte Kohelet, das ist alles Windhauch.

12:9 Zwei Nachworte von Herausgebern: 12,9-14 Das erste Nachwort: 12,9-11

Kohelet war ein Gelehrter. Außerdem hat er einfachen Leuten Kenntnisse beigebracht. Er hörte zu und prüfte, er hat viele Sprichwörter selbst in Form gebracht.

12:10 Kohelet hat sich bemüht, gut formulierte Worte zu entdecken, und hier sind diese wahren Worte sorgfältig aufgeschrieben.

12:11 Worte von Gelehrten sind wie Ochsenstecken, Sprüche aus Sammlungen aber sitzen wie eingetriebene Nägel - sie sind die Gabe eines einzigen Hirten.

12:12 Das zweite Nachwort: 12,12-14

Im übrigen, mein Sohn, laß dich warnen! Es nimmt kein Ende mit dem vielen Bücherschreiben, und viel Studieren ermüdet den Leib.

12:13 Hast du alles gehört, so lautet der Schluß: Fürchte Gott, und achte auf seine Gebote! Das allein hat jeder Mensch nötig.

12:14 Denn Gott wird jedes Tun vor das Gericht bringen, das über alles Verborgene urteilt, es sei gut oder böse.